alt, älter, am ältesten

alt, älter, am ältesten
...oder doch nur einfach verwachsen?


Alt. Älter werden. Was bedeutet das konkret? Natürlich, man altert Jahr für Jahr und der Körper ändert sich.
Doch fallen mir je länger je mehr noch viele andere Sachen auf. Als Kinder sagten meine beste Freundin und ich immer angsterfüllt, wir wollen nicht erwachsen werden. Erwachsene sind doof und verstehen uns nicht.Später, als die Gefahr des Erwachsen Werdens immer näher kam, sagten wir dann voller Panik und in der Einsicht, dass wir es nicht aufhalten können: Okay, wirdürfen Erwachsen werden. Aber wir versprachen uns hoch und heilig, immer das schöne in der Welt zu sehen, immer ein Auge für kleine Freuden zu haben und niemals zu vergessen, wie viel Spass wir zusammen haben. Oder wie wir es kurz nannten: Niemals Verwachsen zu werden. Ab diesem Zeitpunkt unterschieden wir auch zwischen Erwachsenen und Verwachsenen Menschen. ....das Versprechen halten wir noch immer und auch die Unterscheidung klappt heute weiterhin.
Doch habe ich im Laufe der Jahre gemerkt, dass man zwar darauf achten kann, nicht allzu sehr verwachsen zu werden, man das Umstellen der Denkweise aber nicht aufhalten kann. Zuerst war da das Spielen mit Puppen. Barbies. Schleichfiguren. Playmobil. Lego. Wir waren irgendwann einfach zu alt. Ich weiss noch, wie wir ein paar Mal verzweifelt versucht hatten trotzdem zu spielen, aber... es ging einfach nicht mehr. Also gaben wir es auf und wechselten zu Brettspielen.
Und dann war da das Jahr 2009. Ich weiss noch ganz genau, wie sich meine ganze Denkweise schlagartig geändert hatte. Ich weiss noch sehr detailliert, wie plötzlich das kam, denn ich konnte anfangs noch switchen, was echt.. speziell war. Zu beschreiben, was genau in meinem Kopf vor sich ging, ist beinahe unmöglich. Doch sah ich zum Beispiel einen Baum. Und dann waren da die Gefühle in mir, die ich als Kind immer verspürt hatte, wenn ich einen Baum sah und ich betrachtete den Baum mit diesen Kinderaugen voller Bewunderung, begleitet von Gedanken voller Erstaunen und Freude. Doch dann wechselte es in derselben Sekunde und ich sah... einen Baum. Immer noch war er wunderschön, aber diese kindlichen Gefühle waren weg. Ich bewunderte ihn auch immer noch, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Und genau das konnte ich eine Zeit lang bewusst wechseln.
Irgendwann war dann auch dieser Prozess abgeschlossen. Und seit dem fällt es mir schwer, mich an meine kindliche Denkweise ohne Erinnerungsstücke zu erinnern. Gott sei Dank habe ich eine Erinnerungsbox angelegt als Kind. Wenn ich darin wühle, kann ich noch in etwa nachfühlen, wie es mir 2009 ging.
Doch wollte ich über das älter werden schreiben.


Es fällt mir immer öfter auf. Wenn Menschen um mich herum wegen irgendwelchen Kleinigkeiten streiten. Sei es online beim Raiden mit den verschiedenen Dingen, oder im RL in der Klasse. Ich merke einfach, wie andere sich über Dinge aufregen, die mich vor nur einem Jahr auch noch tierisch genervt hätten. Aber heute ist es mir einfach egal. Ich zucke mit den Schultern und weiss einfach: Nein. Darüber muss ich mich nicht aufregen. Oder das muss ich mir nicht gefallen lassen. Das habe ich einfach nicht mehr nötig. Oder auch vermeintliche Verpflichtungen im RL. So kleine unnötige Aufgaben wie im Sport etwas zu tun, was man nicht will. Oder per Gruppenzwang etwas Bescheuertes mitmachen. Vor nur einem oder zwei Jahren hätte ich das alles mitgemacht und ohne Widerrede befolgt, was gesagt wird. Heute zucke ich wieder nur mit den Schultern und sage "nein". Nein, ich habe das nicht mehr nötig. Ich kenne die Grenzen meines Körpers und wer das nicht akzeptieren kann… phö. Juckt mich nicht.
Aber auch dieser ewige "Beef" online geht völlig an mir vorbei. Diese Eifersucht überall. "Der und der ist einfach bei dem und dem Raid mitgelaufen!" oder "Mimimi, wie kannst du nur das Raiden dem RP vorziehen?" oder auch anders herum. Es geht an mir vorbei. Es ist mir egal. Vor einem Jahr hätte ich mich aufs übelste darüber aufgeregt und gelästert und sonst was. Aber heute..? Heute frage ich mich nur noch, wie man dafür Nerven verschwenden kann.
Ob das auch zum älter werden gehört? Ich weiss es nicht. Doch ich denke schon. Denn genau so fühlt es sich an. Älter werden. Erwachsener werden eher. Vernünftiger werden. Pünktlich ins Bett gehen, wenn ich weiss, ich muss am nächsten Tag fit sein. …wobei das "muss" aber eher ein "will" ist, weil es zwar aufgrund von Verpflichtungen ist, ich aber nicht wegen der Verpflichtung fit sein will, sondern um es mir persönlich einfacher zu machen.
Also ja. Älter werden. Alt werden. Es hat wohl weniger mit dem Alter zu tun, als mit der Art wie man sich verhält. Ob ich damit nun verwachsen bin? Ich weiss es nicht. Meine beste Freundin und ich halten immer noch krampfhaft daran fest, dass wir niemals verwachsen werden. Und ich bin auch davon überzeugt, dass uns das ganz gut gelingt. …wenn uns auch oft einfach nur die Zeit dazu fehlt. Die Zeit fehlt, um im Sommer im Bodensee herumzualbern. Um im Winter im Schnee herumzuspringen. Aber wenn wir diese Zeit haben, lassen wir sie uns durch nichts mehr nehmen und geniessen sie in vollen Zügen. Und ich denke, genau so sollte es auch sein, auch wenn wir in Augen der Kinder nun Verwachsene sind.