"und du sitzt da oben, und lachst uns aus"

Ach Ruki... Was haben wir uns nicht für einen Kopf gemacht. Viel zu viele, viel zu unnötige Gedanken!
Doch erst, wie es dazu kam. Für einen guten Freund habe ich bei deiner Mutter um die Adresse deines Grabes gefragt. Doch sagt sie, sie könne diese gerade nicht nachschauen, ich solle doch ihrem Mann schreiben. Deinem Papa. Also habe ich das getan und statt mir die Adresse zu geben, machte er mir den Vorschlag, sich einfach zu treffen und er würde mir das dann zeigen. Das konnte ich unmöglich ausschlagen. Einmal, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich das schreiben sollte, einmal aber auch, weil wir hier von deinem Vater reden. Es hatte sich einfach richtig angefühlt, zuzusagen.


Doch bekam ich Panik. Ich alleine nach Köln reisen? Das war im Sommer 2016 schon einer der Gründe, warum ich dich nicht besuchen kommen konnte. Ich wusste einfach nicht wie. Mit dem Zug war es viel zu teuer und zu weit, selbst für schweizer Verhältnise. Mit dem Flugzeug? Ich und alleine fliegen?! Niemals. Aber mit dem Auto wären es 560 km. Augsburg war bisher mein weitestes Ziel gewesen. 220 km. Ca 3 Stunden.
Doch habe ich es dir versprochen. Ich habe dir versprochen, dass ich dich besuchen komme. Vor dem 4.12.16 habe ich es nicht geschafft, was schlimm genug ist. Also wenigstens jetzt, wo sich die einmalige Chance dazu bietet. Panisch habe ich aber dennoch der lieben Selenja, welcher du oft genug bis spät in der Nacht auf der Gitarre Lieder vorgespielt hast, geschrieben, welche Gedanken ich mir nun mache. Und dass ich Angst habe. Und da kommt sie einfach mit der Idee, dass wir da zusammen hinreisen könnten. Welch... perfekter Plan. Sie wohnt etwa in der Mitte von Köln und meinem Wohnort, was die Fahrzeit pro Tag einfach mal eben halbiert hat. Sonntag bin ich zu ihr gefahren. Montag mit ihr zusammen weiter nach Köln, Abends zurück zu ihr und Dienstag morgen wieder in die Schweiz.


Dazwischen ist aber viel geschehen. Wie gesagt, was haben wir uns nicht für einen Kopf gemacht. Viel zu viele, viel zu unnötige Gedanken! Wir hatten Panik, deinen Vater zu treffen, weil er so Wortkarg schrieb. Weil wir ihn nicht einschätzen konnten. Weil wir nicht wussten, was er von uns dann beim Grab erwartet. Sollten wir dort weinen? Sollten wir still da stehen? Und wer von uns sollte dann nach einer Zeit sagen “Okay, gehen wir wieder?”
Diese Panik-Anfälle kamen und gingen. Doch am schlimmsten waren sie auf der Fahrt nach Köln, als uns auf höhe Frankfurt schlagartig bewusst wurde, dass wir das gerade wirklich tun. Nicht nur, wegen deinem Vater. Nein. Sondern weil durch das Besuchen deines Grabes alles um ein vielfaches realer wird. Dein Grab, Ruki. Allein schon wie das klingt.
Und genau in solch einem Moment mussten wir dann lachen. Wir wussten genau, wir machen uns zu viele Gedanken und du sitzt da oben und lachst uns aus. “Ihr besucht meinen Vater, jetzt habt euch nicht so!”, sagst du kichernd und krümmst dich anschliessend vor Lachen auf deiner Wolke.


Schlussendlich haben wir es geschafft. Wir waren da. Und es hat so unendlich gut getan. Dein Vater ist so nett und liebevoll. Er hat uns alles gezeigt, so viel erzählt und auch so wunderbar zugehört, was wir erzählt haben. Es ist klar, dieser Besuch hat beiden Seiten sehr gut getan. “Die Freunde meiner Tochter, sind auch meine Freunde. Ihr seid jederzeit hier willkommen.” ...ich werde nie vergessen, wie er zwar fröhlich Erinnerungen mit uns teilte, aber stets mit feuchten Augen und einem leichten Beben in der Stimme. Ich werde nie vergessen, welche Stimmung auf dem Friedhof war. So ruhig und geborgen. Und ich werde nie den Anblick deines Baumes vergessen. So perfekt!
Oh und ich musste ja so lachen! Ruki! Du kleiner Schlingel =D Du hast so oft gejammert, wenn du ins Nachbarsdorf gehen musstest, um zum Beispiel auf die Post zu gehen. Du hast so sehr gejammert, dass ich immer dachte, das sei ein Fussweg von mindestens einer Stunde!! Ich bin da langefahren, Ruki! Das sind zu Fuss nichteinmal 2 Minuten! Ich feier und liebe dich einfach dafür. Zu gern hätte ich dich dafür ausgekitzelt. Wenn auch nur, um dein Lachen nocheinmal zu hören.
Es war ein Jahr zu spät, aber ich habe dich endlich besucht. Der nächste Besuch, der nur dir alleine gilt, wird im Himmel sein. Ich freu mich darauf.


Bis dahin alles Liebe, deine Naemy.