Kapitel 15

Ellania konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, aber sie biss auf die Zähne und sagte nichts. „Schau doch“, sagte Jonar. Er war aufgeregt, denn er hatte den Ort zuerst entdeckt. „Es gibt diese Oase und zwei große Dünen, die Schatten geben...“ Hilfreich deutete der Junge auf die beiden in der Hitze flimmernden Sandhügel und nahm Ellania an ihrer Hand, als wolle er sie dort hinziehen.


„Jonar“, sagte Nhouria sanft, nichts weiter, doch schon beugte der Kleine den Kopf und antwortete: „Ja, Meister.“ Er ist doch ein Kind!, schrie Ellania wieder einmal, und wieder einmal nur unhörbar in ihrem eigenen Inneren. Du erwartest von ihm, ein kleiner Jedi zu sein, du gibst ihm einen Stab als Waffe... Sie hätte weinen mögen, aber Nhouria hatte sie ebenso sanft – und so unerschütterlich - wie gerade eben Jonar darauf hingewiesen, dass er ein Kind sei, aber eines, das die Macht anwenden könne. „Er braucht klare Führung, um das bewältigen zu können.“ Er braucht eine Mutter!


Unwillig betrachtete sie den Platz. Er war wirklich ideal: Schatten und Wasser zugleich, was wollen wir mehr. Und Platz, um etwas bauen zu können. Der findige Jiel hatte einen Weg gefunden, aus Sand Ziegel zu brennen und so würden sie vielleicht sogar ein Haus bauen können. „Die Wölfe kommen hierher“, sagte Nhouria und wies auf einen kleinen Klumpen Kot ein paar Schritte voraus. „Wir werden diesen Platz für sie so unangenehm wie möglich machen, sonst haben wir dauerhaft Krieg mit ihnen. Jonar, wie können wir das tun?“


Ellania hörte gar nicht zu. Sie ging ein paar Schritte weiter und starrte in das kleine Rinnsal Wasser, das sich den Weg durch einige Dornenbüsche bahnte. Ob es immer fließt? Sie hatten noch kein einziges Mal Regen oder einen ähnlichen Niederschlag erlebt. Wo das Wasser herkam, war ihnen immer noch unklar, vermutlich aber aus der Tiefe. Ellania hoffte das sehr, denn sonst müssten sie doch damit rechnen, dass es irgendwann zur Neige gehen würde, wenn es doch nicht regnete.


Wann habe ich das letzte Mal Regentropfen gesehen? Für einen Moment sprangen ihre Gedanken wie spielende Kinder in die Vergangenheit, zurück zu dem dreckigen Platz hinter ihrem... Verschlag auf Ryloth. Sie roch den widerlichen Eintopf, den ihre Mutter immer irgendwie zusammen bekommen hatte, hörte ihre Stimme rufen: „Ellania! Neriana! Kommt essen!“ Nach zwölf Stunden in den Minen hatte ihr Ruf geklungen, als lüde sie sie zu einem Ausflug ein, zum Schwimmen, zum Besuch eines Theaters... Mutter.


Neriana und sie hatten die erste Chance genützt, Ryloth zu verlassen, die sich ihnen geboten hatte. Und die hat uns nach Nar geführt. „Wir sollten zurück gehen und den anderen Bescheid geben“, sagte Nhouria, die plötzlich neben ihr stand. „Schaffst du es? Kann ich dir helfen?“


„Du kannst mir nicht helfen“, erwiderte Ellania.

Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen. (Paulo Coelho)