Balmorra - Belagerung (1)


Balmorra, 4 nVC, nah der Derot-Rüstungsfabrik im weit entfernten Südosten von Sobrik


Seit zwei Tagen wurde die Fabrik belagert. Die weite Wildlandebene mit nur wenigen Erhöhungen, umschlossen von einer weitläufigen Gebirgskette bot einige Wälder und Seen, die von den Kriegsanstrengungen auf beiden Seiten völlig verdreckt wurden. Maschinenöl, Schlamm und abgebrochene Äste der nahen Wälder verfärbten die einst klare Wasseroberfläche zu einem matschigen braun-schwarz und ließen den Unterschied zu der umgebenden Waldsteppe marginal erscheinen. Hinter einer der weitläufigen Waldinseln standen die Artilleriegeschütze, besetzt durch imperiale Feldkanoniere, die das Geschehen, das sich vor ihren Augen ereignete mit Bewunderung und Respekt gleichermaßen beobachteten, die Hände an die Helmstirn erhoben, um sich vor der hochstehenden, bernsteinroten Mittagssonne zu schützen.
Ein Dutzend Kettenpanzer, knapp vor der Waldlinie als mechanisierte Frontlinie dienend und ausgestattet mit schweren Laserkanonen hielten das ohrenbetäubende Feuer auf die Waffenfabrik schon seit diesem Morgen aufrecht. Immer wieder zischten die dicken Blasterbolzen auf die schützend umgebende Deflektorschildkuppel der Waffenfabrik zu, ließen ihren geraden Flug hinter sich und wurden von dem Schild mit Einschlagswellen absorbiert. Eine Kapitulationsforderung der Belagerungsmacht lehnten die Terroristen bereits am gestrigen Tage ab.


Oskar Tobris, Offizier der mobilen Feldartillerie und Captain der 5. Befriedungskompanie auf Balmorra stand hinter schützendem Transparistahl im Gefechtsstand und beobachtete die aufflackernde Schildkuppel durch sein Makrofernglas. Als er den Befehl vom imperialen Hochkommando erhielt, den Widerstand an der südöstlichen Front niederzuschlagen wusste er, dass es blutig werden würde. Der balmorranischen Widerstand, bestehend aus ehemaligen Vorarbeitern, Saboteuren und überraschend organisierten Terrorzellen war entschlossen für die Befreiung ihrer dreckigen Welt zu kämpfen.


„Schilde sind bei 5%, Sir.“, schnarrte Lieutenant Kane, welcher den 4. Panzerzug als Zugführer unter Captain Tobris kommandierte über das OperationsCom.
„Weiterfeuern. Machen Sie Meldung, wenn die Schildintegrität unter 2% fällt.“, lautete die Antwort des Kompanieführers.


Tobris musste nur in den Himmel sehen, der von den chemischen Dämpfen und dichten Rauchwolken einiger naher Fabriken durchzogen war, um diesen Planeten zu verachten. Warum sollten diese Rebellen für dessen Freiheit kämpfen und ihre Leben in Gefahr bringen, wenn sie sich dem Imperium beugen und ihre kümmerliche Existenz in den Dienst der überlegenen Besatzer dieses Planeten stellen könnten? Er bewunderte und hasste diese Entschlossenheit zugleich. Sie hatte zu einer langen Serie an Gefechten in einem zermürbenden Guerillakrieg geführt, welcher selbst erfahrene Kriegsveteranen, welche die Schmiede des Großen Galaktischen Kriegs hervorbrachte – so wie Tobris, der an der Rim-Kampagne und an beiden Schlachten von Bothawui teilnahm – auf eine Probe der asymmetrischen Kriegsführung stellte. Hinzu kam erschwerend, dass das Kriegsministerium entschied, dass andere Probleme mehr Priorität als die Aufstandsbekämpfung auf Balmorra erhalten sollten. Gekürzte Munitionsversorgungen, geringere Reservistenkontingente und eine allgemein verringerte Kampfkraft waren die Folge. Tobris befand sich also in der unangenehmen Situation, einen Zermürbungskrieg gegen Terrorzellen führen zu müssen, da er die eigenen Truppen sonst einer unberechenbaren Gefahr aussetzen würde, als auch darauf achten zu müssen, nicht von gezielten Terroranschlägen auf seine Kompanie in eine noch drastischere Ressourcenknappheit zu geraten. Und trotz allem schlug in der Brust des Captains das Herz eines stoischen Befreiers, der die sich auflehnenden Dissidenten als kleine Kinder sah, denen man bloß den richtigen Weg aufzeigen müsse. Eine verräterisch kriechende Denkweise, welche er beim Kampf gegen die Truppen der Republik nie zeigte. Diese Terroristen waren allerdings keine Soldaten.


„Schilde bei 2%, Sir. Sie werden bald offline gehen. Lassen Sie mich mit dem 4. Zug vorrücken und das Fabrikgebäude abriegeln!“ Der Lieutenant war immer schon für seine vorschnelle und absolutistische Vorgehensweise bekannt. Bei ihm gab es entweder Krieg oder Frieden, Gnade oder vollständige Vernichtung. Deswegen war er es auch gewesen, der als erster seine Bedenken beim Befehl des Captains äußerte, diese Terrorzelle durch eine Belagerung der Fabrik zur Kapitulation zu zwingen. Das würde er auch im Operationsbericht schreiben und dem Captain damit eine formelle Ohrfeige verpassen wollen. Immer wieder nutzte Kane die Gelegenheiten, um die Nachsichtigkeit des Kompanieführers im schlechtmöglichsten Licht darzustellen und zu einem rigoroseren Verfahren zu drängen. Wenig verwunderlich, denn Kane entsprang als zweitältester Spross einer imperialen Adelsfamilie und klammerte sich deswegen mit beiden Händen so fest an die Sprossen der Karriereleiter, dass seine Füße frei waren um auf alle unter ihm zu treten.
„Nein, Lieutenant. Geben Sie den Befehl die Artilleriegeschütze hochzufahren und zu laden. Wir halten uns an den Plan und lassen sie aushungern.“
Kane, im Geschützturm des Kettenpanzerfahrzeugs stehend knurrte leise, als habe man ihm eine Ohrfeige mit Sandhandschuhen gegeben, das fast ausgeschaltete Deflektorschild im Blick.
„4. Zug an Artillerie. Geschütze hochfahren und laden. Feuerbereitschaft herstellen. Feuern auf Kommando der OpsLeitung.“
Selbst der Artilleriesergeant, welcher den Befehl des Lieutenant übers Com entgegennahm hörte den brodelnden Zorn in der Stimme des Offiziers. Die eben noch stummen Beobachter der Artilleriegeschütze gerieten in Aufruhr, der Sergeant bellte laute Befehle über den Platz. Motorengeräusche heulten gleich Düsen auf, die Kanoniere bemannten die Geschütze, Ladeschützen wurden über den Platz gescheucht und trugen große Geschosse je zu zweit von einem vorbereiteten Munitionslager hinter den Geschützen zu den Ladekammern. Nach und nach wurden die Geschützkammern durch Geschosse mit explosiver Treibladung gefüllt.


„A-1-2 Feuerbereit. A-1-3 Feuerbereit. A-1-1 Feuerbereit. A-1-4 Feuerbereit.“, meldete der Sergeant in Reihenfolge, als alle vier Artilleriegeschütze ihre Bereitschaft nach und nach signalisierten.
Tobris hielt das Makrofernglas mit der linken Hand fest vor seinen Augen. Der blaue Atmosphärenschimmer des Deflektorschilds begann zu flackern und nach einem ganzen Morgen des Blasterkanonenbeschusses gab dieses lästige Schild endlich nach. Der Captain richtete seinen Feldstecher auf die allerletzten der mutigen Kämpfer vor der Fabrik, die sich hinter ein paar Frachtkisten in Deckung gebracht hatten und das Feuer aus einfachen Blastergewehren auf die Panzer des Imperiums eröffneten. Natürlich wurden Schüsse dieses mickrigen Kalibers von den Schilden der Panzer ohne weiteres absorbiert. Auch diese Verteidigungslinie fiel, als der blaue Schimmer über ihnen zusammenbrach, sich auflöste und die Rebellen eilig ins Innere der schützenden Fabrikmauern flüchteten.


„Captain Tobris an Artillerie. Feuer auf vorgegebene Koordinaten eröffnen.“, drang die Stimme des Captains befehlend durch das Com. Die schweren Rohre der Artillerie richteten ihre tödliche Ladung in den Himmel aus und das Dröhnen und Röhren schwerer Explosivgeschosse donnerte durch die Luft. Mit entferntem Knallen schlugen die Geschosse in die Stahlwände der Fabrik ein, rissen Löcher in die äußere Hülle, ließen das dunkle Material in kleinste Teile splittern, welche gleich Asche wenige Meter entfernt niederrieselten.
Er zwirbelte mit der rechten Hand einige seiner Barthaare um einen Finger herum und murmelte einem der Soldaten im Gefechtsstand etwas zu. „Geh mir 'n Kaff holen. Wird ein langer Mittag.“


Und das sollte er auch werden.



[Fortsetzung folgt.]