1. Teil: It's about immersion, stupid!

It's about immersion, stupid!
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Auf der Suche nach dem Gefühl
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Ein weitere Meinung über unser aller Lieblings-Spiel The Old Republic ist so nötig wie ein Furunkel am Arsch. Solche Leute sollten gleich nach Hause gehen und die anderen verschonen. Und was man sich erst recht sparen sollte, sind noch schlaue Verbesserungsvorschläge oben drauf packen, die keinen interessieren, Bioware als letzten, und die eh so überflüssig sind wie ein Kropf am Hals.


Was ist also dieser Blog hier? Kurz und knapp: Ich bringe hier meine Meinung über The Old Republic aufs Papier und packe außerdem noch ein paar interessante Verbesserungsvorschläge oben drauf.


Da ich aber nur positive Rückmeldung lesen möchte und kein "Dann geh doch wo du wohnst!" und "Du bist ja wohl n ganz Schlauer!" und auch nicht das knappe wie aussagekräftige "Arschloch!", habe ich mich nie getraut, meine Meinung in einem Thread mitzuteilen. Wunderbar, dass es bei vc-rp diesen Blog hier gibt. Endlich mal reden, ohne dass einem unqualifizierte Dümmlinge den Gedanken vermiesen.


Hallo.


Mein Name ist Red. Sie kennen mich vielleicht noch aus Guides wie "SWTOR Guide // Infos und Mechaniken" oder dem Ever-Green "[GSF-Guide] Anfänger und Fortgeschrittene". Ich bin Ihr Host heute abend.


"It's about immersion, stupid!" ist das Credo dieser Glosse, in Anlehnung an den erfolgreichen Wahlspruch "It's the economy, stupid!" vom ex-US-Präsidenten Bill Clinton. So wie der alte Schwerverbrecher Clinton seinem damaligen Kontrahenten zurief, dass es um Wirtschaft ginge, rufe ich - natürlich in der Wüste sitzend - EA/Bioware zu: "Es geht um das Eintauchen!", kurz: die Gefühle.


Ein kurzes Wort zu Immersion. Ich liebe zwar Englisch und Deutsch, aber ich hasse Denglisch. (Ich setze Denglisch nur ein, wenn ich weiß, dass ich sonst nicht verstanden werde.) Englisch hat, wie alle Sprachen, einige Wörter, die Dinge treffend auf den Punkt bringen, sich aber nur schlecht in andere Sprachen übersetzen lassen. "Commitment" ist so eins. Oder das Deutsche "Zeitgeist" oder auch "Freigeist". Und eben auch "Immersion" - das Eintauchen und sich verlieren in einer Sache.


Ich denke, "Eintauchen" ist das, was wir mit dem Spielen von Computer-Spielen heute suchen. Die Zeiten von hektischem Joystick-Rütteln, um pixelige Gebilde abzuschiessen, sind Vergangenheit und muten nahezu unschuldig an. Heutzutage wollen wir dem RL entfliehen und dem allgegenwärtigen Erwachsenenverstand eine Auszeit geben, wollen mitgenommen werden auf eine spannende Reise, in der wir Dinge, Welten und letztlich Gefühle entdecken, die wir woanders nicht mehr zu finden glauben. - Immersion eben.


Und die alles entscheidene Frage ist: Erzeugt The Old Republic diesen Zustand des Eintauchens? Oder anders: Nimmt man TOR die Welt ab, die es zu erzählen versucht? Gauben wir TOR, dass es kein Spiel mehr ist? Schafft es TOR, diesen kindlichen Verschmelzungszustand in uns hervorzurufen? Ich habe genau darauf gehofft und kann diese Frage subjektiv für mich eindeutig beantworten: Nein!


Zitat

"Du machst doch RP, was beschwerst du dich?" - Wer redet da? Wer war das? Ach, das ist ein wohlbekannter Gast in allen Lebenslagen des Internets. Ich stelle euch vor: Dummschie! Dummschie kommt immer wieder um irgendwelche Ecken gebogen. Man erwartet ihn heutzutage wie den Regenschauer am Sonntagsspaziergang und ist komplett verblüfft, wenn er wegbleibt. Dummschie kommt in allen Altersstufen, sozialen Hintergründen und natürlich beiden Geschlechtern. Zuhören oder die Meinungen anderer aushalten sind Fremdbegriffe für "ihn", respektive "sie", (aber bleiben wir bei der männlichen Form "er", was auch der Geschlechterverteilung der Dummschies eher entspricht). Im Gegenteil, er fühlt sich zu sofortigem Drüberfahren über abweichende Meinungen berufen, von denen er sich sofort bedroht fühlt - im Grunde sind dies alle. Souveränes Tolerieren ist seine Sache nicht. Kurz, wir sprechen von einem kleinen Menschlein, das so arm und geschlagen ist, wie sein Angriffrepertoire umfangreich. Ich werde Dummschie in dieser Glosse ab und an zu Wort kommen lassen. Dies ist kein Thread, sondern ein Blog, und obwohl Dummschie nervtötend ist und liebend gern - schnappatmungsartig - auf entstehenden Gedankenaustausch rumtrampelt, wären wir irgendwie irritiert, müssten wir hier in diesem Blog - anders als in jedem x-beliebigen Thread - auf ihn verzichten.


Nun, die Frage "Du machst doch RP, was beschwerst Du dich?" ist zwar dumm. Aber sie ist auch einfach zu beantworten. RP ist RP und eine eigene Welt. Die Engine-Story / PvE ist eine andere Welt. Und das würde ich gerne auch erleben. Seit es damals losging - Bioware gehörte ja zu den Pionieren - Anfang des Jahrtausends mit Kino-haften RPGs wurde meiner Meinung nach neben Film und Buch ein neues Erzähl-Medium geschaffen, natürlich flacher als Bücher, aber durch die Interaktion und Entscheidungsmöglichkeiten mindestens so intensiv wie Filme. Und ja, das ist jetzt wahrscheinlich etwas erbärmlich von mir, aber dem trauer ich nach. Die kurze Blütezeit scheint nämlich schon wieder vorbei zu sein.


Ich habe von TOR ursprünglich das erwartet, nun ja, was angekündigt wurde. Wie war das damals? Im offiziellen SWTOR-Forum habe ich mich registriert im Jahre 2008. Es folgten 3½ Jahre Lesen, Spannung, Fiebern, Hypen. Alles wurde aufgesogen an neuen Bildern und Videos. Der Hype-Level wurde selten so geschürt und die Community, inklusive mir, ist mit wehenden Fahnen auf den Zug aufgesprungen. Wie konnte das passieren?


Ein Wort zu "der" Community. Meiner Meinung nach ist der kleinste gemeinsame Nenner, dass wir alle das Spiel installiert haben und uns einloggen. Die Community ist in Gruppen fragmentiert mit ganz unterschiedlichen Interessen. Die klassische MMO-Community kommt von WoW (die Veteranen vielleicht noch von EQ oder UO, etc.) Sie war im Jahre 2008 schon ausgebrannt. Wenn es eine Erkenntnis gab, die bereits 2008 die Spatzen von den Dächern pfeiften, dann die, dass die UO/EQ/WoW-Spielformel abgenutzt ist und eine Erneuerung braucht: Die MMO-Community war es leid! Einerseits. Andererseits ist die MMO-Community ein launisches Pferd. Eher ein Esel - dazu ein verwöhnter. Ständiges Fernseh-Gucken lässt Gefühle und Phantasie verflachen.


Zitat

(*plärrend*) "Äääeeeyy! Du bist wohl so'n Gesundheitslatschenträger und Moralapostel....!"
Dummschie! (*Hand-hebend*) Sei einfach mal ruhig ... geh mal wieder in die Ecke und hör einfach zu.


Also, wo waren wir? Wenn Fernseh-gucken Gefühle, Denken und Phantasie verflachen lässt, was macht dann jahrelanges Ab-Raiden einer primitiven Spiel-Formel? Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Einigen wir uns auf: "nichts förderndes". Die UO/EQ/WoW-Spielformel zu erneuern, damit es wieder spannend wird, bräuchte sowas wie einen erneuten technischen Quantenspung: WoW ist schon das teschnisch Machbare, mehr Komplexität ist schwerlich zu wuppen. Nur mit noch bombastischerer Technik ließen sich die verwöhnten MMO-Konsumenten wieder begeistern. Und in den Jahren nach WoWs Erfolg haben wir genau diesen Versuch des technischen Aufrüstens in diversen Spielen gesehen. Noch größere Schwerter, noch detailliertere Burgen, noch riesigere Riesendrachen, noch blitzendere Blitzdings-Wirbel, und so weiter, und so fort.


Glücklicher ist bei dem Ganzen niemand geworden. Die MMO-Community blieb missmutig und wurde mit jedem Spiel und jedem Jahr nur noch ausgebrannter.


Warum? Weil, (wie übrigens auch TV-Glotzen - aber lassen wir das), es nichts mit dem Eigenen zu tun hat und die Leute zum Hamster im Laufrad degradiert. Das Eigene - dieses antiquierte Wort. Man meint damit das Nutzen der eigenen geistigen, körperlichen (und einige meinen auch der spirituellen) Kräfte, wodurch es zum innerlichen Wachsen kommt; und das ist die beste Quelle für (Lebens-)Freude, oder - wir bleiben hier bescheiden: "Spaß haben".


Man kann es durch "Höher, Schneller, Weiter" versuchen, aber man bleibt passiver Konsument. Oder man versucht, dem eigenen Potential der MMOler eine Spielwiese zu bieten. Das ist, meiner bescheidenen Meinung nach, die aussichtsreichste Zukunft von MMOs. Sandbox-Spiele bleiben zwar in ihrer Nische mit hoher Einstiegshürde. Aber statische Themenparks werden entweder zu Hybriden oder stagnieren in der Ecke mit einer aussterbenden Hamster-Rad-Spielerschaft, die nichts anderes mehr versteht und will als das Hamster-Rad. Ein Themenpark, das eigenes Gestalten und eigene Phantasie (lest von mir aus "Sandbox-Elemente") nicht unterstützt, wird in 5-10 Jahren so attraktiv sein wie ranzige Butter.


Nach diesem Ausflug ins Propheten-Dasein komm ich zurück zu SWTOR. Aber hey, denkt mal nicht, dass ich euch von weiteren Glaskugel-Erkenntnissen verschone.


Was hat Bioware 2006 also versucht? Sagte er 2006? Ja! Wegen dem großen Erfolg der KOTOR-Reihe fiel im Jahre 2006 der Entschluss, darauf basierend ein MMO zu entwickeln. Coole Sache, aber das Bioware-Team fragte: "Was ist ein MMO?" Sie hatten de facto keine Ahnung, ihr Spezialgebiet waren Story-RPGs. Gottseidank kam jemand um die Ecke, der Bioware erklärte, was ein MMO ist und wie es funktioniert. Dieser Mann hieß Damion Schubert. Er holte tief Luft, das versammelte Team hörte gebannt zu, die Spannung war fast unerträglich: "Das hier ist MMO! Es nennt sich World of Warcraft." Er sagte also nicht "Das ist ein MMO!" Er sagte, "WoW ist MMO". Und an alle, die jetzt schnapp-atmen und sagen "SWTOR hat Feature X, dass WoW nicht hat", sage ich: *Zeigt mit dem Finger nach oben auf den Rubrik-Titel .... GLOSSE* und jetzt Get the fuck out of here!


Das BW-Team tat die folgenden Monate also das, was es jahrelang getan hat. Nur mit dem Unterschied, das besagter Damion Schubert über fast allem seinen Cäsaren-Daumen senkte und dem Team schrittweise jeden Ehrgeiz und Enthusiasmus austrieb, spannende und kohärente RPG-Stories zu schaffen. Auf diese "Leistung" ist er heute noch stolz und erzählt davon gerne in Vorträgen (Video).


James Ohlen (der Kopf hinter KOTOR 1) erzählte uns anfangs Dinge wie: "In MMOs sieht man immer, wie mehrere Spieler einen Gegner bekämpfen. Aber das ist nicht besonders heldenhaft. Was dagegen heldenhaft ist, ist ein Spieler, der mehrere NPCs bekämpft." Leute aus dem Combat-Team sagten: "Die Lichtschwerter werden sich im Kampf immer treffen ..."


All das musste von Damion Schubert wieder einkassiert werden. Das Projekt "Kopfwaschen" (Ehrgeiz raus, WoW rein) muss ungefähr im Jahre 2010 angefangen haben. Nicht gerade geholfen hat die Tatsache, dass sich das Management für eine total unperformante Grafik-Engine im Pre-Alpha-Stadium entschied.


Trotzdem: die ausgebrannten MMO-Veteranen waren gehypt, die Bioware- und RPG-Fans waren gehypt, die STAR WARS-Fans waren gehypt. "Die" Community schrie die ganzen Jahre 2010 und 2011 hindurch "Jetzt released das Ding endlich, ein MMO ist doch eh nie fertig!" Dann, in den letzten Tagen von 2011, kam dann die große Ernüchterung. "Das ist WoW minus". Aber mit Lichtschwertern. "Die" Community schrie: "Das Spiel ist total unfertig! Wie konntet ihr das veröffentlichen?" Die MMO-Veteranen setzen ihre Wanderung fort, wie sie es seit 2007 machen, und zogen in Scharen zum nächsten MMO. Journalisten schrieben Artikel um Artikel, warum "die Macht nicht mit SWTOR" sei. Die RPG-ler lernten das Genre MMO kennen und erwarteten vergeblich irgendwie irgendwann das zu erleben, worum es in diesem Blog geht: Immersion. Die Rollenspieler bekamen das, was nunmal passiert, wenn eine Firmen-Philosophie (die Biowares) komplett mit den Wünschen von Nutzern (Rollenspieler) kollidiert: einen Fußtritt.


Das erste halbe Jahr 2012 war geprägt von der Frage: "Can it be saved?" Ein Verbesserungs-Thread drückte dem nächsten die Klinke in die Hand. Die ganzen Leak-Berichte aus 2011 schienen in einem neuen Licht: "Gefährten sind nur Pets!" - "Was?", sagte die Community, "das ist Bioware, du spinnst!" - "Nein, Gefährten sind nur Pets!" - "Ach, hört nicht auf diesen Spinner." usw. (EA-Louse sei noch erwähnt).


Eine Formel, die 2007 schon ein abgetragener Schuh war, erhielt schon wieder eine Neu-Auflage. Diesmal mit sprechenden Quest-Gebern und Cut-Scenes. Diese wurden von 80% der MMO-ler weggedrückt. Auf den PvE-Servern wurde man mit "SPACEBAR SPACEBAR ..." terrorisiert. Nachdem ich 2004 die Welt der alten Republik mit KOTOR kennen und lieben gelernt hatte, lernte ich in der MMO-Version davon (mit Hunderten von Mitspielern) ein neues Gefühl kennen: Einsamkeit.


Die Story meines erstes Chars hab ich nicht wirklich verstanden. Von den Neben-Quests ganz zu schweigen. Statt einzutauchen, bleibt man außen vor. Ich bin immer wieder überrascht, was mein Char so alles erzählt, wenn ich dieses Dialog-Rad bediene. Nach einigen Planeten ging mir auf, dass es auch nicht darum ging, Dinge zu entdecken, sondern darum, sich Dinge anzuschauen. Wie eine nette Tapete oder Grafik. Man hetzte von Punkt A nach B ohne Blick auf liebevolle Details oder dem Gefühl, gerade wirklich IN dieser Welt zu sein mit ängstlicher Spannung, was als nächstes um die Ecke wartet. NPCs standen rum und bewegten sich nicht, sie stehen heute noch auf ihren Plätzen. In bewältigten Questgebieten werden sie zur Lachnummer, die man mit einem Husten wegpustet. Ich weiß, dass das (als Teil der UO/EQ/WoW-Formel) dem vertikalen Leveling geschuldet ist. Aber Bioware, wenn du deine Welt nicht ernst nehmen kannst, kann ich es auch nicht. Immersion findet so nicht statt.


Da helfen dann auch die Versuche nicht mehr, hier und da einigen NPCs das Gehen beizubringen - die Statik des Spiels scheint irreversibel. Kritikern des Crafting-Systems entgegne ich, dass sie mal analysieren sollen, worum es nunmal in so einem statischen Themenpark geht: Man interagiert mit der Welt mittels Laserstrahlen durch einen Blaster oder Energie-Zylinder. Es geht darum, auf Taris die Heuschrecke zu besiegen (mittels Blaster). Um mehr nicht, Punkt. Welchen Zweck kann ein Crafting-System dann haben? Ganz einfach: Die Heuschrecke auf Taris noch besser zu besiegen. (Oder Gegner X auf Planet Y.) Das Crafting-System ... äähm, wie soll ich sagen, .... es "begeistert" mich geradezu - ganz ehrlich - durch seine mathematische Logik und die frappierende Art, wie es den Inhalt (den Content) dieses statischen Themenparks transparent macht. Wollt ihr verstehen, worum es in einem Spiel geht und was es zu bieten hat, guckt euch das Crafting-System an.


Ich hatte Spaß in SWTOR. Ich freue mich über jeden Neuling in der Gilde und nehme Anteil an seiner Freude am Spiel. GSF hat mich eine lange Zeit süchtig gemacht, die Boden-PvP-Com allerdings komplett vergrätzt. Jeden Tag logge ich mich ein, um Dinge zu bauen, Leute aus dem All zu schießen oder mit Leuten RP zu machen. Neulinge, die wie der Ochs' vorm Berg stehen und blind durchs Spiel tapern, tun mir in der Seele weh, also beglücke ich diese mit meinen Guides (zwei davon jetzt hier auf vc-rp.de).


Aber jetzt ist der Tag gekommen. Der Tag der Abrechnung. Bioware, du hast mir einen Teil meiner Lebenszeit gestohlen. Mit einem Spiel, das statischer nicht sein könnte, dafür mit einigen Handgriffen aber wesentlich kohärenter, stimmiger, spannender, verständlicher und schlicht besser.


Bioware, die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Ich werde sie predigen, die Wahrheit, hier und jetzt, in der Wüste und mit Merkelraute.


... wird fortgesetzt.